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Vergiftungen bei Kleintieren

Vergiftungen bei Kleintieren

Jede(r) Tierbesitzer*in sollte sich von Beginn an mit dem wichtigen Thema Vergiftungen und deren unterschiedlichen Symptomen auseinandersetzen. Neben den offensichtlich toxischen Stoffen wie Rattengifte, Frostschutzmittel, Insektizide, ungeeignete Medikamente etc., gibt es auch die vermeintlich gut gemeinten „Belohnungen“, die für unsere Lieblinge im schlimmsten Fall tödlich enden können. Lebensmittel, die wir als Genussmittel bezeichnen - wie der Dauerbrenner Schokolade - beinhalten je nach Art und Menge für den Organismus von Hund und Katze ein hochgradiges Vergiftungspotential.

Im Folgenden werden wir auf die häufigsten Vergiftungsarten und auf deren unterschiedlichen Therapieansätze etwas näher eingehen. Als Anschauung dienen einige Fallbeispiele - gegriffen aus dem alltäglichen Leben unserer Lieblinge.

 

I. Die häufigsten Vergiftungen beim Hund

  • Rattengift: Antikoagulantien (Gerinnungshemmer), Cholecalciferol (verusacht Hyperkalzämie, einen erhöhten Kalziumgehalt des Blutes)
  • Insektizide: Organophosphate / Carbamate (wirken neurotoxisch), Ivermectin (ein Antiparasitikum)
  • Methylxanthine (kommen in Asthma-Medikamenten vor) 
  • Schokolade (Theobromin), Koffein
  • Medikamente: Ibuprofen
  • Frostschutzmittel (Ethylenglykol)
  • Sonstige: Xylitol (Zuckeraustauschstoffe, z.B. in Süßigkeiten), Trauben u. Rosinen
Vergiftungen beim Hund

 

II. Die häufigsten Vergiftungen bei der Katze

  • Rattengift: Antikoagulantien (Gerinnungshemmer), Cholecalciferol (verusacht Hyperkalzämie, einen erhöhten Kalziumgehalt des Blutes)
  • Insektizide: Organophosphate / Carbamate (wirken neurotoxisch), DEET (Diethyltoluamid) z.B. in Mückenabwehrsprays, Rotenon in Pflanzenschutzmitteln
  • Medikamente: Ibuprofen, Paracetamol Frostschutzmittel (Ethylenglykol)
  • Pflanzen: Lilien, Rhododendron, Philodendron
Vergiftungen bei der Katze

 

III. Der Maßnahmenkatalog bei Vergiftungen

Liegt eine Vergiftung vor, sollten Sie umgehend eine Tierarztpraxis aufsuchen, damit Ihr Liebling je nach Art der vorliegenden Vergiftung mit den geeigneten Maßnahmen erstversorgt und behandelt wird:

  1. Dekontamination
  2. Gabe von Antidot
  3. Lipidtherapie
  4. Flüssigkeitstherapie
  5. Gastrointestinaler Support
  6. Neurologischer Support
  7. Kardiovaskulärer Support

Nachstehend gehen wir auf die verschiedenen Maßnahmen etwas näher ein.

 

(1) Dekontamination

 (a) Haut/Fell:

  • Scheren ohne die Haut zu verletzen
  • Wasserlösliche Gifte: Baden mit viel lauwarmem Leitungswasser, mind. 10 Min. spülen
  • Lipidlösliche Gifte: Baden mit lauwarmem Wasser, alkalifreie Seife 
  • Augen/Schleimhäute: mind. 10 Min. mit lauwarmem Wasser spülen

 (b) Magen-Darmtrakt:

  • Ggf. Erbrechen erwirken (NICHT bei: Schock, Bewusstlosigkeit, Krämpfen, Schluckbeschwerden) - Ausbeute: bis 70%
  • Magenspülung mit Intubieren (lauwarmes Wasser oder 0,9% NaCl) - Ausbeute: 28-32%
  • Aktivkohle als dosierte Suspension gemäß Körpergewicht alle 6 bis 8 Stunden - Ausbeute: bis 60%

 

(2) Gabe von Antidot

Das Antidot ist ein (stoffliches) Gegenmittel zu Giften, Toxinen, Medikamenten oder anderen Substanzen, die auf einen Organismus Einfluss nehmen.
Intoxikationen z.B. durch Paracetamol, Rattengift, Frostschutzmittel, Carbamat etc. können durch Gaben geeigneter und richtig dosierter Antidots therapiert werden.

 

(3) Intravenöse Lipidtherapie

Die intravenöse Lipidtherapie findet Anwendung, wenn durch eine Überdosierung von stark fettlöslichen Medikamenten oder unter einer Lokalanästhesie kardiologische Symptome, also Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems auftreten.
Obwohl die Mechanismen der Wirkungsweise noch nicht genau bekannt sind, ist eine Verbesserung des Fettsäuretransportes, eine Umverteilung von lipidlöslichen Medikamenten und eine Aktivierung der Zellschutzmechanismen zu verzeichnen.

Dabei werden intravenös, dosiert nach Körpergewicht bei Hund und Katze über eine Dauer 30 bis 60 Minuten Lipidinfusionen verabreicht, die ggf. nach 15 Stunden wiederholt werden müssen.

 

(4) Flüssigkeitstherapie

Durch Anwendung einer geeigneten medikamentösen Flüssigkeitstherapie erreicht man eine gute Gewebsperfusion, die man ebenfalls als verbesserte Organdurchblutung bezeichnen kann. So vermeidet man eine Dehydration und auch eine vermehrte Ausscheidung kann auf diese Art forciert werden.

 

(5) Gastrointestinaler Support

Unter gastrointestinalem Support versteht man das Verabreichen von Medikamenten gegen Übelkeit und zum Schutz des Magens

 

(6) Neurologischer Support

Bei Vergiftungssymptomen kann es notwendig sein ein Antikonvulsivum zu geben, ein Arzneimittel, das zur Behandlung oder Verhinderung von Krampfanfällen eingesetzt wird. Oft gehen diese sich wiederholende Krämpfe der Körpermuskulatur mit einem Bewusstseinsverlust einher. Auslöser sind synchrone Entladungen von Nervenzellen des Gehirns.

Auch können Muskelrelaxanzien, Substanzen, die eine reversible Entspannung der Skelettmuskulatur bewirken, Linderung verschaffen.
Sedativa zur Beruhigung und die Gabe von Antagonisten, die als Gegenspieler anderer Substanzen deren Wirkung aufheben, zählen zu dieser Therapieform.

 

(7) Kardiovaskulärer Support

Treten infolge einer Vergiftung ein stark erhöhter Puls und/oder arrhytmische Störungen der Pumpleistung des Herzens auf, die von den Herzkammern oder den Herzvorhöfen ausgeht, werden Beta-Blocker und/oder ein lokalwirkendes Betäubungsmittel (Anästhetikum) als Infusionsbeigabe verabreicht, um die Arbeit des Herzens zu unterstützen.

Auch die Gabe von Antagonisten, die die Wirkung des Giftes hemmen kann eine geeignete Medikation sein. Hat sich gar ein anaphylaktischer Schock eingestellt, wird i.d.R. Adrenalin injiziert.

 

IV. Die Theobromin-Vergiftung (durch Schokolade)

Fallbeispiel:

KIRA, Labrador Mix, 3 Jahre, weiblich ...war kurz unbeobachtet und hat den Geburtstagskuchen gefressen...

⇒ Nach 15 min Vorstellung beim Tierarzt

 

Typische Gehalte an Theobromin:

  • Milchschokolade: 1,5 bis 2 mg/g
  • Dunkle Schokolade: 5 bis 8 mg/g
  • Kochschokolade: 14 bis 16 mg/g
  • 70% Schokolade: 20 mg/g
  • 90% Schokolade: 26 mg/g

Theobromin wird im Margen-Darm-Trakt fast vollständig resorbiert. Der maximale Blutspiegel wird nach oraler Aufnahme in ca. 2 bis 4 Stunden erreicht.

Die folgende Dosierung hat eine 50%-ige Letalität (LD50) bei oraler Aufnahme:

  • Hund: 250 bis 500 mg/kg
  • Katze: 200 mg/kg

⇒ Eine Dekontamination wird bereits ab 40 mg/kg Körpergewicht empfohlen!

 

Anmerkung:

Da jeder Hund unterschiedlich sensibel reagieren kann, sollte daher vorsorglich immer ein Tierarzt konsultiert werden. In der anschließenden Behandlung kann so ersten Symptomen entgegenwirkt und der Kreislauf des Tieres unterstützt werden. Die oben genannten Thebromin-Gehalte der verschiedenen Schokoladen dienen daher lediglich als Richtwerte und zur groben Einschätzung des Vergiftunggrades.

Erste Maßnahmen können sofort eingeleitet werden, um das „Gift“ aus dem Organismus des Tieres auszuscheiden.

 

Klinische Symptome:

  • Verhalten:  Unruhe, Erregung, Durst, Koordinationsstörungen, Schwäche
  • Nervensystem:  Überempfindlichkeit, Zittern, Krämpfe
  • Magen-Darm-Trakt:  Erbrechen, ev. Durchfall, Schmerzempfindlichkeit
  • Herz/Kreislauf:  Herzrasen, Arrhythmien, Herzstillstand
  • Respiration:  Hecheln, Kurzatmigkeit/Atemnot, Atemstillstand
  • Harntrakt:  vermehrte Ausscheidung, Inkontinenz

 

ACHTUNG!

Tierhalter*innen sollten nie versuchen, bei Vergiftungserscheinungen den Hund selbst zum Erbrechen zu bringen. Vielmehr sollten zur Absorption Kohletabletten verabreicht werden. Tierärzte werden gezielt je nach Vergiftungsart und Wirkstoff ein Erbrechen medikamentös herbeiführen.

Übrigens, bekommt ein Hund - sei es aus Unwissenheit - regelmäßig „als Leckerli“ Schokolade, treten meist chronische Vergiftungserscheinungen des Herzens auf. Studien haben gezeigt, dass sich bei Hunden mit regelmäßigem Konsum von Schokolade der Herzmuskel nicht mehr richtig entspannen kann und somit weniger Blut ins Herz fließt.

 

Fazit:

Schokolade sollte stets außer Reichweite von Hunden aufbewahrt werden, um ausschließen zu können, dass die Vergiftung auf Theobromin zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass einige Süßigkeiten neben Theobromin auch noch Koffein enthalten, macht dieses für Kleintiere verbotene Lebensmittel noch gefährlicher.

 

V. Rattengift (Coumarinderivate)

Diese Gifte zerstören die Blutgerinnung des Organismus. Durch eine übermäßig stark ablaufende Blutgerinnung im Blutgefäßsystem werden die Gerinnungsfaktoren verbraucht und schließlich resultiert daraus eine Blutungsneigung - die Tiere verbluten innerlich.

Unterschieden werden zwei Generationen von Giften:

  • 1. Generation: Warfarin
  • 2. Generation: Brodifacoum, Bromadiolon, Difenacoum, Flocoumafen, Difethialon

Die sogenannten Coumarine werden langsam aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert und hemmen die Reaktivierung des Vitamins K1, das für dir Blutgerinnung benötigt wird. Ein Quick-Test, der die Dauer bis zur Blutverklumpung zeigt, macht zwar die Schwere der Vergiftung deutlich, dennoch ist die Kenntnis über die Wirkstoffart des Giftes äußerst wichtig für den Erfolg und die Dauer einer Therapie.

 

Symptome der Gerinnungsstörung:

  • Lethargie, Schwäche, Appetitlosigkeit
  • Blutungen im Brustraum, Bauchraum, in Gelenken, Lunge,  Harnwegen, im Magen-Darm-Trakt, kapillare und fleckenförmige Hauteinblutungen und Hämatome
  • Differenzierte Diagnostik: Blutgerinnungsstörung, Leberversagen, Bluterkrankheit

 

Therapie:

  • Dekontamination
  • Gabe von Vitamin K1 (oral / i.m. / i.v.); Dauer: 1. Generation mind. 1 Woche, 2. Generation mind. 3 bis 4 Wochen
  • Transfusion von Plasma/Vollblut

 

VI. Xylitol-Vergiftung (Zuckerersatzstoffe)

Fallbeispiel:

TIMMY, Mischling, 2 Jahre, männlich kastriert ...hat am Vortag die Einkaufstaschen geleert und „Diverses“ gefressen...

⇒ Akutes Auftreten von blutigem Durchfall u. Erbrechen; nicht mehr geh- und stehfähig

Zuvor war der Hund fit; wurde regelmäßig geimpft und entwurmt.

 

Timmys Symptome nach der Einnahme:

  • Seitenlage
  • Herzfrequenz 165 S/min, Atemfrequenz erhöht, stöhnt, Temperatur 35.2°C
  • blasse Schleimhäute, Rückfüllzeit beim Zahnfleischdrucktest nicht bestimmbar, trockene Schleimhäute
  • gespannter, schmerzempfindlicher Unterbauch
  • während klinischer Untersuchung verliert er blutigen Durchfall

 

Vorkommen von Zuckerersatzstoffen

Den 5-wertigen Zuckeralkohol Xylitol findet man:

  • (wenig) in Früchten (Pflaumen, Himbeeren, Erdbeeren)
  • (wenig) in Gemüse (Blumenkohl)
  • in Backwaren
  • in zuckerfreien Kaugummis u. Süßigkeiten
  • in Zahnpasten

 

Wirkungsweise

Der Zuckerersatzstoff Xylitol wird über die Leber „verstoffwechselt“. In der Humanmedizin führt es zu einem geringgradigen oder keinem Anstieg von Insulin.

Anders verhält es sich in der Veterinärmedizin:

  • Bei Hund, Kuh, Ziege und Maus: hochgradiger und schneller Anstieg von Insulin nach 20 bis 40 min
  • „Unterzuckerung“ durch Insulin 30 bis 60 min nach der Xylitol-Aufnahme
  • Akutes Leberversagen innerhalb 9 bis 72 Stunden nach der Aufnahme

 

Klinische Symptome

  • Erbrechen/Durchfall
  • Hypoglykämie (Unterzucker): Lethargie, Koordinationsstörungen, Anfälle, Koma
  • Leberversagen: Gerinnungsstörung, Gelbfärbung, Magen-Darm-Blutungen, Leber-Hirn-Störung (Leberkoma)
  • NICHT alle Hunde zeigen gleichzeitig eine „Unterzuckerung“ (Hypoglykämie)

Was noch zu einem Leberversagen führen kann (Differentialdiagnosen):

  • toxisch:  Xylitol, Paracetamol, Sago-Palme, Grüner Knollenblätterpilz, Schimmelpilzgift, Eisen, blau-grüne Alge
  • infektiös:  Leberkarzinom, Herpesvirus, Leptospirose, Toxoplasmose, ...

 

Xylitol - Therapie

  • Dekontamination:  Erbrechen herbeiführen (Emesis), Magenspülung, Aktivkohle
  • Flüssigkeitstherapie:
    • Bei Hypoglykämie:  Glukose oral oder per Infusion
    • Bei Leberversagen:  SAMe (Denosyl®) zur Regeneration der Leberzellen, Antibiotika, evtl. Laktulose (Zweifachzucker), Vitamin K, Plasma
  • Symptomatisch:  Antiemetika (gg. Übelkeit), Magenschutz, Schmerzmittel

 

Xylitol - Monitoring

  • Glukosekontrollen (regelmäßig, zu Beginn jede Stunde),
  • Leberenzyme, 
  • Bilirubin,
  • Thrombozyten und Gerinnung alle 24h (während 48 bis 72h)

 

zurück zum Fallbeispiel:  TIMMYs weiterer Verlauf ...

Tag 1 bis 3:

  • aggressive Therapie inkl. Blut- und Plasmatransfusion
  • Apathie, Schwäche, Hypotension, blutige(s/r) Erbrechen Durchfall, Appetitlosigkeit

Tag 4 bis 6:

  • Allgemeinzustand langsam besser, wieder gehfähig, kein Erbrechen / Durchfall mehr
  • immer noch appetitlos - lässt sich füttern

Tag 7:

  • beginnt selber gut zu fressen
  • Labor-Nachkontrolle

Tag 8:

  • kann wieder nach Hause
  • TIMMYs Allgemeinzustand ist sehr gut, frisst super
  • er erhält:
    • Denosyl® zur Leberstärkung
    • Omeprazol® zum Magenschutz
    • Paspertin® zur Anregung der Magenfunktion
    • regelmäßige Nachkontrollen im Labor

 

VII. Vergiftung durch Trauben

Diese Vergiftung kann auftreten nach dem Fressen von Weintrauben, Rosinen, Trester, ...

 

Symptome:

  • Erbrechen, Durchfall, Anorexie, Apathie, abdominale Dolenz
  • Oligurie/Anurie (verminderte bzw. eingestellte Harnproduktion)
  • Ataxie (Koordinationsstörungen), Schwäche

 

Komplikationen:

  • Akutes Nierenversagen beim Hund
  • Mechanismus unklar:
    • Erhöhter Blutkalziumspiegel
    • Nierenschädigung durch überempfindliche Reaktion des Organismus (nicht alle Hunde zeigen Symptome)
  • Toxische Dosis: 10 bis 30 g Weintrauben pro kg Körpergewicht
  • Symptome zeigen sich wenige Stunden nach Aufnahme (bis 24h)
  • hohe Sterblichkeitsrate - beträgt bis zu 50%!

 

Labor-diagnostische Untersuchungen:

  • Azotämie (Stickstoffüberschuss), Hyperphosphatämie (erhöhter Phosphatspiegel)
  • Hyperkalzämie (erhöhter Kalziumspiegel)
  • Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumspiegel)
  • Urin: Isosthenurie (starre Harnkonzentration, Verlust der Verdünnungsfähigkeit), Zylinder (Kristalle), Protein (Eiweiß), Glukose

 

Therapie:

  • Dekontamination:  bis zu 12h nach Aufnahme sinnvoll
  • Flüssigkeitszufuhr:  2-mal täglich Zufuhr über mind. 48h
  • Oligurie/Anurie:  Medikamente zur Erhöhung der Ausscheidungsmenge, evtl. Dialyse
  • symptomatisch:  Medikamente gegen Übelkeit, zum Magenschutz, evtl. Phosphatbinder
  • Monitoring:  tägliche Kontrolle der Nierenwerte für 2 bis 3 Tage

 

VIII. Pflanzen-Vergiftung (i.B. Lilien-Intoxikation)

Fallbeispiel:

CINDY, Katze, 3 Jahre, weiblich, kastriert ...hat am Vortag den Strauß Lilien von Frauchen „angekaut“ ...

⇒ Akut massives Erbrechen, Apathie, Appetitlosigkeit 

 

Lilien (der Familie Lilium und Hemerocallis):

  • sind hochgiftig für Katzen - als einzige Tierart!
  • alle Teile der Lilie inkl. der Pollen sind für Katzen giftig
  • führen zu akutem Nierenversagen

 

Klinische Symptome:

  • Anzeichen meist innerhalb 12h (jedoch noch bis zu 5 Tagen möglich)
  • Erbrechen, Appetitlosigkeit, Apathie

 

Labor-Diagnostik:

  • Veränderungen meistens innerhalb 24 bis 72h nachweisbar
  • Azotämie (Stickstoffüberschuss) inkl. Hyperphosphatämie (erhöhter Phosphatspiegel)
  • Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumspiegel)
  • Urin: Isosthenurie (starre Harnkonzentration, Verlust der Verdünnungsfähigkeit), Zylinder (Kristalle), Protein (Eiweiß), Glukose

Was noch zu einem Nierenversagen führen kann (Differentialdiagnosen):

  • toxisch:  Ethylenglykol in Frostschutzmitteln, NSAID (div. Schmerzmittel)
  • infektiös:  Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
  • Nierenlymphom, CKD (Chronic Kidney Disease)

 

Therapie:

  • Dekontamination
  • Flüssigkeitszufuhr:  mind. 2-mal täglich über 48h (länger bei klinischen Symptomen)
  • symptomatisch:  Medikamente gegen Übelkeit, zum Magenschutz
  • Dialyse bei nahezu völligem Nierenversagen

 

IX. Vergiftung durch Insektizide (Pyrethroide / Pyrethrin)

Diese Insektizide bzw. Akarizide (Pflanzenschutz) kommen auch in Shampoos, Ohrclips, Halsbändern, Spot-On-Präparaten und Sprays für Haustiere vor.

Beispiele hierfür sind: Exspot®, Permit Spray®, Advantix®, Duowin® etc.

 

ACHTUNG!

Sehr häufig treten Vergiftungserscheinungen bei Katzen auf, denen man Antiparasitika für Hunde verabreicht hat. Diese Mittel sind gefährlich, da sie entweder für Katzen ungeeignet oder zu hoch dosiert sind. Dazu zählen vor allem Spot-On-Präparate, Entwurmungsmittel etc. Wenden Sie also nie ein für Hunde freigegebenes Produkt an Ihrer Katze an.

 

Wirkungsweise / Komplikationen:

Vor allem Katzen reagieren höchst empfindlich:

  • verminderte Aktivität
  • Glucuronyltransferase beeinträchtigt (Bilirubin erhöht ➞ Gelbfärbung)
  • Vergiftungen häufig nach Anwendung von Hunde-Produkten bei Katzen
  • Wirkstoffe werden kaum dermal resorbiert
  • sehr schnelle Resorption im Magen-Darm-Trakt nach oraler Aufnahme (max. Blutspiegel nach 2 bis 4h erreicht)
  • neurotoxisch: Blockade in den Reizleitungen ➞ Störung des zentralen Nervensystems / Herz-Arrhythmie
  • auch Reizungen von Haut, Schleimhäuten und Augen

 

Klinische Symptome:

Erste Symptome zeigen sich nach 3 bis 24h - im Durchschnitt 12h nach einer Kontamination.

  • Verhalten:  Depression, Ataxie (Koordinationsstörungen), Fieber
  • Nervensystem:  Gesteigerte Reizempfindlichkeit, Zittern, Krämpfe, Pupillenweitstellung / vorübergehende Blindheit
  • Magen-Darm-Trakt:  Speicheln, Erbrechen, Durchfall
  • Atmung:  Atemnot, Kurzatmigkeit, Tod durch Atemlähmung
  • Herz-Kreislauf:  beschleunigter Herzschlag, „Herzstolpern“ (ventrikuläre Extrasystolen)

 

Therapie:

  • Dekontamination:  vor allem Reinigung von Haut bzw. Fell
  • Lipidinfusion
  • gegen Krämpfe:  Muskelrelaxantien und Betäubungsmittell
  • gegen Speicheln:  evtl. Atropin
  • symptomatisch:  Medikamente gegen Übelkeit etc.

 

Prognose:

  • meist Besserung nach 24 bis 36 h Behandlung
  • Entlassung oft 24 bis 96 h nach Eintritt in Klinik
  • Tod bei hochkonzentrierten Produkten für Hunde und verzögerter Therapie

Schaut man sich die Verschiedenheit der Symptome bei den jeweiligen Vergiftungen an, so fällt auf, dass ein hauptsächliches Problem darin liegt, dass die auftretenden Symptome meistens allgemeintypische Vergiftungserscheinungen darstellen und auf eine Reihe verschiedenster toxischer Auslöser zurückgeführt werden können.

D.h. um eine rechtzeitige und erfolgreiche Behandlung einzuleiten, muss idealerweise dem Tierarzt die aufgenommene toxische Substanz bekannt sein.

 

Fazit

Sollten Sie feststellen, dass Ihr Liebling eine toxische Substanz aufgenommen hat, lassen Sie keine Zeit verstreichen bis erste Symptome zu erkennen sind, sondern kontaktieren Sie umgehend einen Tierarzt um Rat. Je nach der Toxizität des Wirkstoffs ist absolute Eile geboten. Nur bei einem schnellen Handeln kann verhindert werden, dass ein Großteil des Giftes über den Verdauungstrakt resorbiert wird. Die oft notwendigen intensiven Therapieansätze und lang anhaltenden Behandlungen, führen leider trotz allem fachkundigen Vorgehen nicht immer zu einem guten Ergebnis für den Patienten. Je nach der Toxizität und Dosis des Wirkstoffs ist höchste Eile geboten. 

Eine Vergiftung stellt immer einen absoluten Notfall dar!